Kaltes Stout und kältere Wellen: Unterwegs in Irland

Die Regenfäden hängen wie festgepinnt in der Luft, reihenweise Caps gehen im Wind verloren und das Atlantikwasser frischt die Erinnerungen an den sommerlichen Eiscreme-Kopfschmerz auf. Wer mit Humor und Bier bei Laune bleibt, wird belohnt: Mit leeren Line-Ups, fantastischen Wellen und einer strahlend schönen Wildnis

Der Wind hatte gedreht. Statt quer zur Küste blies er nun sanft hinaus aufs Meer, das Rauschen der Wellen wogte nur noch gedämpft durch die irische Nacht. Erwartungsfroh und mit warmen, Stout gefüllten Mägen legten wir uns schlafen, zwei in das einfache Zelt, das wir in den Schutz der stolzen Schlossruine gestellt hatten, zwei in den kuscheligen T4 daneben.

Eigentlich zu schön, um damit anzufangen: Easkey

Easkey ist für reisende Surferinnen seit Generationen ein magischer Anziehungspunkt. Eine linke, peaky brechende Welle rollt hier noch in den kleinsten Swells über die Platten aus Kalkstein.

Easkey Left, eine unwahrscheinlich zuverlässige Welle. Selten perfekt, aber fast immer surfbar. Weitere Wellen im Westen.

Zweihundert Meter weiter rechts bricht eine Rechte, klar, schnell und kraftvoll. Dazwischen liegt ein kleiner Hafen, der beinahe ausschließlich von Anglern frequentiert wird, die auf der kleinen Mole im Schutz einer Steinmauer schicksalsergeben ihre Angeln auswerfen und den um sie herum paddelnden Surfern ein steinernes Mahnmal der Geduld sind. Über allem wachen die Überreste von O'Dowd Castle, erbaut 1207.

Easkey Right, Surferin: Juli Wey

  • Easkey Right: Reefbreak, Normaler NW Swell, Südwind, Lowtide, Lange Rechte über flaches Riff
Eine lange Welle direkt vor der Küstenstraße. Etwas Vorsicht ist beim Reingehen geboten, aber dann kann man das Line-up mit trockenen Haaren erreichen. An großen Tagen trägt die Strömung die Surfer gerne hinter den Peak, was man vermeiden sollte. Gut ist es dagegen, immer wieder die verwaisten Wellen auf der Inside abzugreifen und in den Channel zu surfen.
Luca Brück
Der erste Stormrider Surfguide nennt die beiden einzigen Locals noch namentlich und bittet reisende Surfer ihnen "mit Material auszuhelfen und ihre Entwicklung zu unterstützen". Heute ist der Parkplatz vor der Left an guten Tagen immerhin halb gefüllt und die Straße in Richtung Easkey Right ist gesäumt von Bussen unterschiedlichster Provenienz.

Crowd im Wasser, Crowd an Land

Es ist eine eigentümliche Eigenart der Surfregion, diesen Spot, an dem man so gut ankommen und die Tage in Erwartung besserer Bedingungen vertrödeln kann, mitten hineinzusetzen in das County Sligo und damit ins Herz des Wild-Atlantic-Ways, wie die Tourismusbehörde die Küstenstraße von Malin Head, dem nördlichsten Punkt Irlands, bis zum Naturhafen von Kinsale getauft hat.
Denn die Surfkultur ist geprägt von Roadtrips. Von der Bretagne bis Andalusien kann man im Grunde durchfahren, auch wenn die meisten Bulli-Fahrerinnen aus Deutschland sich auf Südwestfrankreich und Nordspanien beschränken. Nimmt man die Fähren zwischen Wales und Irland sowie Irland und Frankreich hinzu, reicht die Küste für Jahrzehnte des Erkundens. Weiter fahren, immer weiter. Bis nur noch drei Tage Urlaub übrig sind, dann geht es eben wieder nach Hause.

Die "Bushaltestelle" vor Easkey Right ist eine der gesetzten Stationen auf einem Surftrip durch Irland

Es ist eine ewige Flucht, aber auch ein ewiges Ankommen. Wer aber den Fehler begeht, direkt in das pochende Herz der ganzen Angelegenheit hinein abzukürzen, wird von einem Gefühl ergriffen, das sich nur mit der Sehnsucht nach in Panaché Flaschen im Lagerfeuer gekochten Würstchen beschreiben lässt: Man beraubt sich der unschuldigen Naivität des Suchens. Doch diese Erkenntnis stand uns noch bevor, vorläufig saßen wir im McGowans und spielten Billard.

Der Tourifragenklassiker: Wie gibt man hier Trinkgeld?

Kurzer Guide zum korrekten Bezahlen: Bei jeder Bestellung einen Geldschein oder die Kreditkarte auf den Tresen legen. Die Wirtin legt das Rückgeld neben die gezapften Biere. Kein Trinkgeld liegen lassen! Allenfalls eine Runde für das Personal mitbestellen.
Ich kannte die Regeln, aber es war laut und unpraktisch war es auch und bald lag der Blick der Wirtin zweifelnd auf ihrer unübersichtlichen Liste mit diversen Posten. Sehr zu empfehlen: Smithwick's Red Ale und Guinness Hop House. Uns brachten die beiden etwa diese schöne Anekdote ein: Der alleinreisende Arzt Chris hatte sich vorgenommen, ein Bild von sich, nackt auf einer Kuhweide, Auge in Auge mit einem Stier aufzunehmen, für Instagram. Das Problem an der Idee war, dass sie funktionierte. Chris stieg auf die Weide, zog sich aus, ein Stier kam auf ihn zu und ein Foto wurde gemacht. Dann kam der Stier näher. Chris verlor die Nerven und sprang, nackt wie er war, zurück über den Zaun. Während ein leichter Regenschauer einsetzte, stellte er fest, dass sein Autoschlüssel mit den restlichen Sachen noch auf der Weide lag.

Zu Besuch in Bundoran, der Surfhauptstadt Irlands

Das County Sligo ist gesegnet mit hervorragenden Wellen. Eine Stunde östlich von Easkey liegt die Surfhauptstadt der Emerald Isle, Bundoran. Bekannt wurde der Ort mit dem Kampf der Surfer um ihre Welle: The Peak, eine lange, barrelnde Linke und eine kurz und hohl in den Channel brechende Rechte.
  • The Peak: Reefbreak, großer W - NW Swell, SO Wind, Lowtide, ein traumhafter A-Frame, und eine weitere perfekte Welle, der große Slartibartfass muss sich auch hier verewigt haben.
In bester Lage, könnte man sagen, bricht die berühmteste Welle Irlands. Berühmt wegen ihrer Qualität und berühmt wegen der Agitation gegen eine Ausgrabung des Hafenbeckens, die die Welle wohl zerstört hätte.
Luca Brück

Semi-Secret zwischen Easky und Bundoran

In Bundoran finden sich die einzigen zuverlässigen Bedarfsläden für Surfer, außerdem Hostels und Surfschulen. Von Dublin fährt ein Surfbus jedes Wochenende im Sommer.
Ein wertvoller Tipp ist dieser: Das Great Northern Hotel beim Golfplatz lässt auch abgerissene Surfer für ein paar Euro in seinen Wellnessbereich (Das klingt etwas großspurig, denn besonders schick sind Dampfsauna und Whirlpool eigentlich nicht. Dafür aber sehr warm!). Doch sei gewarnt! Egal ob ihr nur alle guten Reisespiele schon dreimal durch habt oder wirklich mit blauen Lippen und tauben Fingern aus dem Wasser kraxelt: Der Wellness-Trick funktioniert. Aber er funktioniert nicht endlos. Garantierte Lagerkoller-Erlösung gibt es nur bei der ersten Verheißung auf ein heißes Bad!

Die zeitlosen Linien von Kilcummin Harbour

Wir hofften am Morgen, bevor der Wind auffrischen sollte, auf die fies wedgende Easkey Left und wollten dann weiter nach Westen fahren, ins County Mayo, nach Kilcummin Harbour.

Da geht der D-Zug in den Hafen.

Die Welle in Kilcummin ist ein linker Pointbreak über Steinbrocken. Der Spot braucht eine Menge Swell und ein gutes Stück Nordanteil, um überhaupt zu brechen. Dann aber sind die klaren, eiskalten Linien eine kleine Offenbarung. Ausladend und schnell brechen die Setwellen weit draußen vor den im Hafen zwischen Schiffsleichen geparkten Surfvans und schieben sich stampfend nach links in das weite Becken von Ballina.
  • Kilcummin Harbour: Pointbreak, Großer NW Swell, Südwind, Low - Midtide, Lange, große schwere Welle, sehr flach, wenn klein und viel Strömung, wenn groß
Kilcummin ist einer dieser Spots, der dich an deinem Verstand zweifeln lässt: Warum um Himmels Willen hast du dir nicht längst ein 7-Fuß Singlefin gekauft? Es könnte alles so viel einfacher sein. Schnell und heftig rollt der Zug über die Pebbles und wer zu langsam ist, den bestraft Poseidon.
Luca Brück
Etwas war anders. Plötzlich waren überall Beine und Arme, ein nasser Schlafsack wischte mir durchs Gesicht und die Bustür fiel uns schwer in die Beine. Ich sah aus dem Fenster in Richtung des Castles. Wo war das Zelt?
Bis acht hielten wir unseren dumpfen Dämmerzustand ungefähr aus, dann war es langsam Zeit sich der Gewissheit zu stellen: Der Sturm war in der Nacht schon gekommen, er hatte erst die Außenhülle des Zeltes abgedeckt und ihre Besitzer zu uns in den Bus getrieben und dann das derart erleichterte Innenzelt durch die Luft gewirbelt und in das Hafenbecken geweht. Ein zerknirscht dreinschauender Angler hatte bereits einen Daunenschlafsack neben sich auf einer Bank ausgebreitet. Der Surf fiel ins Wasser, sozusagen, stattdessen sammelten wir Kleinteile ein und fochten einen immer spannenden Kampf gegen das wechselhafte Wetter, um Kleider, Schlafsäcke und Zelt zu trocknen.

Irlands Antwort auf J-Bay: Iniscrone Point

Die besten Wellen des Trips hatten wir dann wirklich in Kilcummin und dann nochmal in Inishcrone, Tage später, aber das konnten wir wirklich nicht ahnen.

Inishcrone: Sieht fantastisch aus, kann aber eine Bestie sein

Es ist die Schroffheit der Landschaft, die so glitzert, und der Kontrast zu der warmen Gastfreundschaft der Iren. Am einen Tag heult der Wind durch Inishcrone, die Surfer paddeln um ihr Leben in die Wellen, nur um sitzen- und fallengelassen zu werden, viel zu schnell stampfen die Wellen weiter den sandigen Point hinunter.
  • Inishcrone: Pointbreak, Großer NW - N Swell, SO Wind, Lowtide, Schnelle Welle über Sand und Kalkstein
Die Arme fallen ab, die Lippen sind blau. Am Ende dieser endlos langen Rechten willst du zurück an den Strand paddeln, aber bevor dir das wieder einfällt, bist du schon unterwegs nach draußen, um dir noch so ein Ding zu schnappen.
Luca Brück
Am anderen Tag dreht das Tiefdruckgebiet, der Wind lässt für zwei Stunden nach und die Wellen brechen sanft wie in Imesouane, fast 3000 Kilometer südlich.

An einem windigen Tag gehören die Wellen in Magheroarty den Windsurfern - und der Pier wie immer den Möwen

Man muss offenen Herzens reisen, sonst kann man auch zu Hause bleiben, und besonders gilt das wiederum für Irland.
Man muss die Menschen nehmen, wie man ein Gewitter nimmt, oder ein Erdbeben, schrieb der portugiesische Autor und Musiker Afonso Cruz.
Wer nach Irland reist, der sollte die Stürme und Gewitter so nehmen, wie die Menschen, sage ich: Mit einem Glas Stout, Neugier in den Augen und einem Lächeln im Herzen.

Surfen in Irland: Das musst Du wissen

Weite und Wellen

Beste Reisezeit: September Wassertemperatur: 8 - 16 Grad Celsius, September etwa 14 Lufttemperatur: 5 - 17 im Schnitt Niederschlag: Viel, vor allem von August bis Januar Wellensicherheit: Hoch von September bis Februar, Mittel im restlichen Jahr Level: Fortgeschrittene, Anfänger mit Kurs, etwa in Bundoran

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